Feiner Glitzerstaub rieselt auf das schneeweiße Papier. Ahed Alabboud hat mit flüssigem Kleber Linien und Muster darauf gezogen. Für die Extraportion Glitzer ist Lina zuständig. Sie greift mit den Fingern in die kleine Schüssel und wirft die funkelnden Partikel mit Schwung auf das Bild. Sie kichert dabei vor sich hin. Linas Freude zaubert auch Ahed ein Lächeln auf die Lippen.
Ahed arbeitet seit 2020 im Inklusiven Kindergarten der Lebenshilfe. Dort merkte sie schon 2017, im Rahmen eines Praktikums, dass sie sich wohl fühlt. „Auch meine Kinder waren hier im Kindergarten. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht“, erzählt sie. In ihrer Heimat Syrien war Ahed Grundschullehrerin –eine Ausbildung, die ihr in Deutschland nicht anerkannt wird. Mittlerweile ist sie gelernte Kinderpflegerin und lebt ihre Arbeit im Kindergarten mit Leib und Seele.
In den beiden Gruppen des inklusiven Kindergartens der Lebenshilfe lernen und spielen auch jeweils fünf bis sechs Kinder mit Beeinträchtigung. Lina ist eines von ihnen. Ahed und die anderen Erzieherinnen frühstücken mit den Kindern, spielen mit ihnen und fördern sie. Zum täglichen Programm gehört es beispielsweise auch, dass die Kleinen den jeweiligen Tag, den Monat, das Jahr und das Wetter auf Gebärdensprache lernen. Inklusiv eben. Die Kinder sollen schon früh für unterschiedliche Bedürfnisse ihrer Mitmenschen sensibilisiert werden. Mit ihrer Arbeit bringen Ahed und ihre Kolleginnen den Kindern Werte bei, die von Zusammenhalt und Chancengleichheit geprägt sind. Die Balance zwischen Gleichberechtigung und individueller Förderung scheint auf den ersten Blick schwierig –die Umsetzung aber wirkt erstaunlich leicht.
Lina etwa bekommt nicht ständig eine Sonderbehandlung. Dennoch geht Ahed natürlich auf ihre speziellen Bedürfnisse ein: „Sie ist oft sehr impulsiv und tut sich schwer, still zu sitzen. Dann beschäftige ich mich mit ihr.“ Kein Wunder, dass die beiden eine besondere Verbindung haben. „Lina möchte immer neben mir sitzen“, schmunzelt Ahed. „Und sie kommt meistens zu mir, wenn sie traurig ist.“ Lina spielt gerne im Sand, zupft ab undzuan langen Haaren, liebt Süßkram und stibitzt beim gemeinsamen Essen auchmal etwas von anderen Tellern. „Das meint sie aber nicht böse“, weiß Ahed. „Sie hat einfach keine Berührungsängste und ist sehr aufgeweckt.“ Eine tägliche Herausforderung –und eine umso größere Bereicherung.